Stalking! – Was tun?

„Es fing ganz harmlos an. An einem Samstagabend an der Bar mit meiner besten Freundin. Wir hatten es lustig und da war da plötzlich dieser gutaussehende Mann. Er lächelte immer in meine Richtung und ich lächelte zurück. Meine Freundin hatte es plötzlich ganz eilig und so war ich mit diesem Mann alleine an der Bar. Wir tranken bis die Bar uns rausschmiss und waren beide ziemlich glücklich. Wir wurden ein Paar und zogen zusammen.

Das ging dann auch eine ganze Weile gut. Bis dann irgendwann -so etwa nach 3 Monaten- die Überwachung losging. Es fing damit an, dass ich ihn dabei ertappte, dass er mit meinem Handy hantierte. Ich fragte ihn was das solle und er meinte nur, er hat etwas nachgesehen. Am gleichen Abend fragte er mich, wer eigentlich Max sei. Ich war überrascht. Max ist ein Arbeitskollege und der hatte mir vor zwei Wochen mal eine SMS geschickt. Offenbar hatte Er das gesehen. Ich erklärte ihm die Situation und hoffte, dass es sich erledigt hatte.

Hatte es aber nicht. Es fing erst richtig an. Er spionierte mir die ganze Zeit hinterher. Loggte sich auf meinem Computer ein, öffnete meine Post, fuhr mir mit dem Auto nach. Es ging so nicht weiter. Auf dringendes Anraten meiner besten Freundin beendete ich die Beziehung. Ich erklärte ihm, dass ich so eine Beziehung nicht möchte und auch nicht überwacht werden möchte und dass er bitte ausziehen solle.

Er machte zunächst den Beleidigten und zog tatsächlich aus. Mir fiel ein riesen Stein vom Herzen und ich fühlte mich grenzenlos erleichtert. Bis es nach etwa zwei Wochen wieder los ging. Er rief ständig an, schichte Mails, tauchte zu allen Tag- und Nachtzeiten vor meiner Wohnung auf. Und damit nicht genug, er fing an, mir zu drohen. Einmal wollte er sich umbringen, einmal wollte er mir etwas antun, dann wiederum drohte er, mich bei meinem Chef anzuschwärzen. Ihm fiel immer wieder etwas Neues ein.

Ich igelte mich immer mehr ein und zog mich total zurück. Das brachte aber auch nichts. Es eskalierte dann tatsächlich auf meiner Arbeitsstelle. Er war tatsächlich zu meinem Chef gegangen und hatte ihm eine gut ausgeklügelte Story präsentiert: ich sei psychisch labil, hatte ein Alkoholproblem und meine Finanzen nicht im Griff.

Nun platzte mir der Kragen! Ich schrie ihn an, mich in Ruhe zu lassen. Mit meinem Chef konnte ich zum Glück reden und die Sache richtig stellen. Er riet mir dann auch, zur Polizei zu gehen und ihn anzuzeigen.

Dank der Polizei konnte ich ein neues Leben beginnen. Er wurde verurteilt und erhielt totales Kontaktverbot. Ich bekamt eine neue Identität. Wechselte Namen, Arbeitgeber, Wohnung,Telefonnummer und Mailadresse. Seither ist Ruhe in meinem Leben.

Aber die Angst ist immer präsent. Ich werde immer ein Opfer seines Stalkings bleiben.“

Diese Geschichte ist stellvertretend und exemplarisch für zahlreiche Stalkingfälle in Deutschland. Zwischen 20.000 und 30.000 Stalkingfälle gibt es jährlich in Deutschland. Und das sind nur die Fälle, die zur Anzeige kommen. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiss niemand. Sie wird auf bis zu 800.000 Betroffene geschätzt.

In der Regel (80%) sind Frauen die Opfer. Es gibt aber auch weibliche Stalker. Bekannt wurde hier der Fall einer Seniorin, die ihren katholischen Priester jahrelang gestalkt hat.

Oft werden Prominente Opfer von Stalking, oder Menschen, die aufgrund ihres Berufes exponiert sind. Es gibt aber auch viele Fälle von Stalking im privaten Umkreis. Stalking hat vielfältige Gesichter. Vom ständigen Psychoterror bis zu tätlichen Angriffen und sogar Mordversuchen liegt alles drin.

Typisch für Stalking ist, dass es scheinbar harmlos anfängt und im Laufe der Zeit an Intensität zunimmt. Oft werden die leichten Anzeichen des Stalking zu Beginn übersehen oder als Verliebtheit abgetan. Im Nachhinein jedoch merken die Opfer, dass sie schon über einen längeren Zeitraum dem Stalking ausgesetzt waren.

Wer wird Opfer von Stalking?

Das typische Stalking-Opfer gibt es nicht, es kann jedem passieren. Stalker suchen sich jedoch in der Regel Opfer, die zu nett sind, um sich zu wehren. Das Opfer möchte meist noch lange höflich bleiben und den Stalker nicht verletzen. Oft hat das Opfer mit dem Täter sogar Mitleid. „Er hat ja sonst niemanden“, „Sie ist sicher sehr einsam“ Dies und vieles mehr wird oft zitiert, um die Taten des Stalkers zu erklären.

Was bedeutet Stalking für die Opfer?

Die Opfer von Stalking sind zunächst mit ihrem Problem ganz allein und dem Stalking mehr oder weniger hilflos ausgesetzt. Stalking ist Psychoterror und entsprechend schränken die Handlungen des Stalkers das Opfer in allen Lebensbereichen komplett ein. Das Opfer traut sich nicht mehr auf die Strasse, es hat Angst vor der nächsten Stalking-Attacke. Den meisten Opfern von Stalking ist es zunächst peinlich, was da passiert und so vertrauen sie sich auch zunächst niemandem an und holen auch keine Hilfe.

Erst wenn die Situation eskaliert, wenn es nach aussen hin nicht mehr zu verheimlichen ist, sich die Opfer Hilfe. Im obengenannten Beispiel war es der Vorgesetzte des Opfers, der klar machte, dass hier eine Grenze überschritten wurde. Das war der Auslöser für die polizeiliche Anzeige und das nachfolgende Gerichtsverfahren.

Was tun wenn man gestalkt wird?

Viele Stalking-Opfer machen aus Unwissenheit zunächst einmal vieles falsch. Oft wird dem Stalker nachgegeben, Verständnis entgegengebracht, seine Taten nach aussen vertuscht oder heruntergespielt. Das ist alles grundverkehrt.

Stalking erfordert klare Ansagen seitens des Opfers oder dessen Vertreters (Anwalt, Eltern, Ehepartner). Dem Stalker muss unmissverständlich klargemacht werden, dass es so nicht geht und wenn er so weitermacht, es zur Anzeige kommt.

Viele Taten des Stalkers sind klar gesetzeswidrig. Du solltest daher Beweise sammeln. Mails, Aufnahmen vom Anrufbeantworter, SMS musst Du unbedingt als Beweismaterial aufheben und sammeln. Auch Zeugen können für eine Anzeige oder ein Gerichtsverfahren nützlich sein.

Ganz wichtig: Stalking ist ein ernstzunehmendes Delikt. Es wird nicht einfach von selbst aufhören. Du musst Dich zur Wehr setzen, auch wenn Dir das unangenehm ist. Stalking kann gefährlich werden. Ein Stalker wird vor Tätlichkeiten nicht zurückschrecken. Rechne also mit dem Schlimmsten.

Das musst Du tun wenn Du gestalkt wirst:

– Mach eine klare Ansage, dass Du keinen Kontakt mehr möchtest und Du zur Polizei gehen wirst, wenn das nicht sofort aufhört!

– Bleib konsequent und gib dem Stalker nicht nach, indem Du ihn beispielsweise wieder triffst.

– Vertraue Dich Freunden und Familienmitgliedern an. Informiere proaktiv alle Personen, mit denen der Stalker Kontakt aufnehmen könnte. Damit gräbst Du seinen Aktivitäten das Wasser ab. Oft hilft es auch, wenn andere Bescheid wissen und den Stalker mit seinen Taten konfrontieren.

– Sammle Beweise. Hebe alles auf, was er Dir schickt, schreibt, auf den AB spricht. Auch ein Stalking-Tagebuch kann nützlich sein, indem Du alles aufschreibst, was wann wo passiert ist. Beweise sind bei der Polizei und vor Gericht enorm wertvoll und steigern Deine Glaubwürdigkeit.

– Erstatte bei der Polizei Anzeige oder rufe die Polizei, wenn es der Stalker übertreibt. Lieber einmal zu viel als zu wenig.

– Nicht abwarten und hoffen dass es besser wird. Stalking wird nicht besser oder hört aus, es wird an Intensität immer mehr zunehmen, bis Du Dich dagegen wehrst.

Der Nachstellungsparagraph (§238 StGB)

Seit März 2017 ist in Deutschland der sogenannte Nachstellungsparagraph in Kraft. Er soll Stalking-Opfern helfen, wirksam gegen Stalking vorzugehen. Gemäss Paragraph 238 Strafgesetzbuch ist Stalking ein Straftatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden kann.

Allerdings wird Stalking nur auf Antrag verfolgt. Das heisst, wenn das Opfer keine Anzeige erstattet, wird das Gericht auch nicht aktiv, es sei denn es besteht in irgendeiner Form ein öffentliches Interesse, wenn zum Beispiel Gefahr für die Öffentlichkeit besteht.

Die Rechtslage ist also zumindest in Deutschland sehr klar und es kann Opfern von Stalking wirkungsvoll geholfen werden. Es braucht jedoch eine polizeiliche Anzeige, und da musst Du selbst aktiv werden.

Die Erfahrung mit Stalkern zeigt, dass es oft nur ein ernsthaftes Gespräch mit einer Drittperson braucht, um den Stalker zum Einlenken zu bewegen. Auch eine polizeiliche Anzeige kann ein klarer Wink mit dem Zaunspfahl sein. Manchmal wird dem Stalker erst dann bewusst, was er hier eigentlich tut. Und wenn auch das nichts hilft, bleibt nur der Gang zum Anwalt.

Fazit

Stalking ist kein Kavaliersdelikt. Und Stalker sind auch keine bemitleidenswerten Menschen, sondern Täter, die Dein Leben einschränken und gefährden. Sei Dir dessen bewusst und handle entsprechend. Lass es nicht zu, das er oder sie ungefragt in Dein Leben eindringt und es Dir zur Hölle macht. Lass Dich nicht zum Opfer machen, sondern wehre Dich. Die gesetzlichen Möglichkeiten dafür sind in Deutschland gegeben. Nutze sie!
 

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